Größenwahnsinnig: EU-Parlament will Google zerschlagen

Redaktion 22. November 2014 7 Kommentar(e)

Das EU-Parlament auf Konfrontationskurs: Suchmaschinen sollen nach Meinung der Parlamentarier von anderen Geschäftsbereichen getrennt werden. Die verklausulierte Formulierung ist ein direkter Angriff auf Google. 

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Google Logo 2010

Mehr als 21 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, eine Währung, die nur noch mit einer massiven Geldschwemme der EZB am Leben gehalten wird und an der Ostgrenze die neo-imperialen Gelüste eines Wladimir Putins, der sich offenbar Stück für Stück eine Sowjetunion 2.0 aufbaut: Um Europa steht es dieser Tage wahrlich nicht gut. Nun könnte man meinen, vielleicht sogar hoffen, dass sich das Europaparlament in diesen Krisenzeiten um die wirklich ganz großen Probleme des Kontinents kümmert – aber Fehlanzeige. Statt junge Menschen in Lohn und Brot zu bringen, den chronisch kranken Euro zu reformieren oder sich mutig Putin entgegenzustellen, kümmern sich die Parlamentarier lieber um Google: Das EU-Parlament plant, Suchmaschinen von anderen kommerziellen Diensten zu trennen. Die verklausulierte Formulierung ist ein direkter Angriff auf den Suchmaschinen-Primus.

Schwelender Streit

Zwischen Google und der Europäischen Union schwelt sein Jahren Streit: Die EU wirft dem Internetkonzern vor, die eigene Marktmacht zu missbrauchen und in den Suchergebnissen eigene Produkte und Dienste denen der Konkurrenz zu bevorzugen. Im Mai urteilte dann der Europäische Gerichtshof, dass Bürger der EU ein sogenanntes „Recht auf Vergessen“ hätten und Google zur Löschung von Links in den Suchergebnissen verpflichtet werden könnte. Im Nachhinein hat sich das Urteil dann als perfektes Zensur-Vehikel herausgestellt: unter anderem wollte ein Politiker, der eine Wiederwahl anstrebte, Links zu unliebsamen Nachrichtenartikeln löschen lassen. Ebenso wollte ein Arzt schlechte Bewertungen löschen lassen und ein Mann, der wegen Kindesmissbrauch verurteilt worden war, wollte Links zu den entsprechenden Artikeln entfernen lassen. Die europäische Google-Paranoia ging sogar so weit, dass Heiko Maas, seines Zeichens deutscher Justizminister, die Offenlegung von Googles Suchalgorithmus forderte.

Deutlich schlechtere Suchergebnisse

Jetzt also der neuerliche Vorstoß des EU-Parlaments, der unter dem Deckmantel des Kartell- und Wettbewerbsrechts geschieht und angeblich sicherstellen soll, dass die Marktmacht Googles nicht zu groß wird. Dabei übersehen die Parlamentarier, dass wir Nutzer es doch sind, die Google die Marktmacht erst geben: Niemand ist gezwungen, Google zu nutzen – Bing, Yahoo, DuckDuckGo und andere Mitbewerber sind nur einen Klick entfernt. Für viele Nutzer bietet aber Google die besten Suchergebnisse, nicht die Konkurrenz. Unter anderem auch deshalb – hier zeigt sich die Ahnungslosigkeit des EU-Parlaments – weil Google seine Nutzer kennt. Suchbegriffe sind nicht immer exakt, sondern können mehrdeutig sein. Kleines Beispiel: Ein Nutzer sucht nach „Ajax“, was wird er damit meinen? Der Geek meint wohl höchstwahrscheinlich die technische Methode der asynchronen Datenübertragung. Der Sportfan möglicherweise die Fußballmannschaft und die Hausfrau das Putzmittel. Das alles erschließt sich nur durch den Kontext – also durch das Wissen, das Google durch seine anderen Dienste über den Nutzer gesammelt hat. Die Trennung von Suchmaschine und anderen Google-Diensten würde also auf Dauer zu deutlich schlechteren Suchergebnissen führen, da Google damit weniger über seine Nutzer weiß.

Kein echtes Parlament

Letztlich ist es aber ohnehin egal, was das EU-Parlament möchte – es hat schlicht und ergreifend nicht die Macht, einen Konzern aufzuspalten. Einen amerikanischen Konzern schon mal gar nicht. Im Grunde ist das EU-Parlament auch kein echtes Parlament: Es besitzt kein Initiativrecht und kann den Haushalt, immerhin das Königsrecht eines jeden Parlaments, nicht alleine beschließen. Auch deshalb hat das Bundesverfassungsgericht ja die Drei-Prozent-Hürde bei den Europawahlen gekippt. Da das EU-Parlament keine echten Kompetenzen besitzt, so die vereinfachte Argumentation des BVerfG, ist es auch irrelevant, wenn es von Kleinst- und Splitterparteien lahmgelegt wird. Eine treffende Analyse. Vielleicht sollten die EU-Parlamentarier mal einen Blick in die Urteilsbegründung Karlsruhes werfen, bevor sie das nächste mal in ihrem Brüsseler Debattierclub auf abstruse Ideen kommen.

Was meint ihr: Sollte Google wirklich aufgespalten werden? Oder schießt das EU-Parlament übers Ziel hinaus? 

Quelle: Financial Times (Paywall) (via Spiegel Online)

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